Montag, 18. November 2019

- umgezogen -

Hallo! 
Falls sich tatsächlich noch jemand auf diesen Blog verirrt hat, findet er neue Texte von mir unter einer neuen Adresse wieder: 

https://feuerinmir.blogspot.com

Oder auf Instagram: 

https://www.instagram.com/feuerinmir/


Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag. 
-Anna

Mittwoch, 13. September 2017

Die Nudeln

- Ich konnte schon immer gut schreiben. Und dann wurde ich glücklich. - 

Heute habe ich mir Essen gekocht. Ich war alleine zuhause und habe mir die morgens selbst eingekauften Spinatnudeln mit dem selbst eingekauften grünen Spargel in Töpfe gelegt, die die passende Größe haben, und ich habe das Wasser erhitzt und das Salz nicht vergessen und wusste, wo die Küchenkelle ist. Und dann habe ich die Teller in die von mir ausgeräumte Geschirrspülmaschine gestellt und habe mir gedacht, hm, noch eine Stunde wach bleiben und dann gemütlich um 22 Uhr einschlafen. Und dann, dann hab' ich mich aufs Sofa gesetzt und den Laptop aufgeschlagen und mich erinnert, ich habe mich erinnert, dass ich ja mal wieder was schreiben könnte, also öffnete ich ein leeres Dokument. Und ich hab es geöffnet und jetzt sitze ich hier und schreibe euch, wie ich so wunderbar selbstständig und unabhängig einen Haushalt führen kann. Und fühle mich stolz, ja, dass ich schon so erwachsen bin. Und dabei ist mir unbemerkt das Wichtigste abhanden gekommen.
Denn so sitze ich hier Abend für Abend vor einem leeren Dokument und die weiße, öde Fläche lacht mich aus, sie kritisiert mich, sie verabscheut das neue Ich, denn das neue Ich hat keine Ideen. Es kann nicht abstrahieren. Es sieht keine wandernden Regentropfen, keine suchenden Wolken und es findet keinen roten Faden. Denn das wichtigste ist mir unbemerkt abhanden gekommen.
Es ist wohl dazwischengerutscht, zwischen die dreckigen Gabeln und Löffel, oder vielleicht ist es ins Abwaschwasser gesprungen und verkocht, denn man wäscht Geschirr nur mit heißem Wasser, sonst sterben die Bakterien nicht ab, aber es war kein Bakterium, es war die Fantasie in mir.
Es war die Fantasie, die mir geblieben ist aus einer verträumten Kindheit, und jetzt kann ich sie nirgends finden, in mir, und auch nicht ringsherum. Ich funktioniere, ja, ich funktioniere reibungslos.
Ich hab' alles im Griff. Ich habe Erfolg, ich habe Erfolg, weil ich mich jetzt anstrengen kann. Weil ich nicht mehr traurig bin und mich nicht mehr hasse. Denn ich hab mich jetzt auch selbst lieb. Das hab' ich alles geschafft. Alles ist rund. Wirklich alles. Aber schreiben, das tue ich nicht mehr. Denn worüber auch? Die dunkle Wolke hat immer so mysteriöse, wunderschöne Metaphern auf mich herabregnen lassen. Aber aus 'nem Sonnenstrahl lässt sich nicht mal ein Kreuzreim formen. Ein geordneter Tagesablauf lässt keine Zeit für wilde Abenteuer, nicht mal im Kopf, denn auch mein Kopf ist ruhig wie ein kleiner See am Sonntagabend. Und dann kommt der Sturm.
Immer dann, wenn ich meinen Kulli in meiner Tasche nicht finden kann und am liebsten sofort alle Bücher quer durch's Zimmer schmeißen, alle Hefter zerreißen und alle blöden Flow Charts verbrennen möchte, wie aus einem Impuls heraus, der aus der natürlichsten Urgestalt meines Körpers kommt, immer dann weiß ich, dass es mal wieder zu viel war. Denn so sehr ich funktionieren möchte, kann ich es nicht lange. Dann schweife ich ab. Ich setze mich auf mein sauber gemachtes Bett und lasse die kalten Füße auf dem Flauscheteppich hin- und herreiben und blicke ausdruckslos hinaus, wo die Blätter sich im Wind drehen und tanzen, wo andere Menschen ihre Hunde spazieren führen oder mit ihren Liebsten Hand in Hand durch den Herbst wandeln, und ich sitze da und schaue hinaus, wie eine Statue, eine Skulptur, um die die Museumsbesucher nachdenklich herumstolzieren mit ihren Flyern und die Absätze der Heels klingen in einem Echo nach, in der Weite der Museumshalle.
Und so schweife ich ab, einfach fliegen lasse ich mich, denn am Boden finde ich keine Nährstoffe. Wie ein Delfin, der an die Wasseroberfläche muss, um Sauerstoff zu atmen, so bin ich abhängig von meiner eigenen Freiheit. Ich muss einfach wissen, dass ich auch einfach mal sein kann, einfach mal alles baumeln lassen kann, um nichts in Brand zu setzen. So gerne ich auch funktionieren möchte, auf lange Zeit ist es wie eine Box ohne Luftlöcher, in der ich immer panisch werdender an die Wände klopfe und am Ende schreiend und weinend hinausplatze wie aus einem Albtraum.
Ich brauche mehr Zeit, das ist mir schon vor Jahren aufgefallen, aber erst jetzt akzeptiere ich diese Eigenheit. Ich brauche mehr Zeit, zum Atmen und Veratmen der Erinnerungen und Erlebnisse, bevor sie mir in den Ohren schwirren wie eine Million Ohrwürmer von Songs, die man verabscheut;
ich konnte schon immer gut schreiben. Und dann habe ich begonnen, mich anzupassen. 

Heute habe ich mir Ravioli aus der Dose gemacht. Ich war alleine zuhause und habe den Dosendeckel abgeleckt, ich habe eine alte Schale kurz abgespült und die dreckige Dose auf der krümeligen Theke stehengelassen. Ich bin barfuß wieder unter die warme Bettdecke getapst, über Klamotten, über Gläser und über Bücher, das dampfende Industriefutter in der Hand, und ich träumte von Weltreisen und Hochzeiten und ich dachte mir gar nichts, denn ich war dabei, mich auszuleeren, wie ein voller USB Stick, und ich war glücklich.



Mittwoch, 30. August 2017

das falsche schiff

Wer bin ich, wenn nicht so.
Wer soll ich sein, wenn nicht dieser Mensch.
Was soll ich werden, wenn nicht das.
Zwei offene Hände und ein ratloses Herz.
So stehe ich vor dem Spiegel, manchmal, wenn es spät ist und ich wieder mal nicht wusste, worüber ich schreiben kann.

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Ich beschalle mich neuerdings des Öfteren mit der neumodischen, heruntergewaschenen, oberflächlich aufgekratzten Chillhousetrap-Chainsmoker-Halsey-Hypnose, die auf spotify und YouTube vor sich hin plärrt.
Völlig bodenlos, inhaltslos, tiefenlos, so schweben diese scheinheiligen, intervallslosen Melodien in pastellrosa Wolken und ich schwebe ihnen hinterher, genauso inhaltslos und unaufhaltsam.
Und ich glaube so langsam, es ist eine Art des Lebens, diese Musik, diese Chillhouse-Hipstersounds, und sie führt mich in eine tiefe Krise, ganz ohne Tiefe.
Ich suche nach einem Kick, nach einem Hoch ohne das Tief. Oder vielleicht ein Tief im Hoch, oder ein Hoch im Tief, wenn ich denn wüsste, wo auf der Skala ich mich mit meinen benommenen Sinnen befinde.
Wie ein ausgewrungener Waschlappen hänge ich über der Bettkante um Elf Uhr dreiundvierzig, und dabei ist es egal, ob es draußen hell ist oder dunkel, ich fühle mich irgendwie verloren. Am falschen Ort zur falschen Zeit. Oder am richtigen Ort zur richtigen Zeit, aber trotzdem keine Ahnung.
Ich weiß, die Sterne gibt es immer, doch ich hab mich entschieden, darüber nicht zu träumen.
Stattdessen fließe ich vor mich hin im endlos rhythmischen Elektrotakt, der mir verspricht, alles wird gut, sowieso. Ich möchte eigentlich nur noch auf dem Teppich liegen und über Wolkenformen philosophieren, einatmen und ausatmen und einen Fick geben auf die Welt und ihre Laberein. Ich streite mich mit einem anderen Selbst, das gegen das ursprüngliche rebelliert.
Ich vs Ich.
Doch eigentlich bin ich doch mein eigener Boss, eigentlich bin ich doch badass, diszipliniert und habe die Dinge im Griff.
Habe diese Rebellion im Griff, habe sie brav erstickt, doch sie kommt immer mal wieder hervor und dann möchte ich am liebsten sofort in Substanzen ertrinken, bevor ich mich bloß mit ihr auseinandersetzen muss. Und wenn diese wilde Anna mir vor Augen erscheint, droht mein sicheres Gerüst zu bröckeln. Ich drohe wieder, zu fallen, und Gott verzeih mir nicht, ich möchte stark sein. Aber was bedeutet es? Was bedeutet alles?
Mir entfällt jegliche Erklärung für die Welt. Sie zerfließt und entrinnt mir in der Hand wie fein zermahlener Sand. Und ich halte es für in Ordnung, diesen Fakt im Schlaf zu vergessen.
Wer bin ich tatsächlich?
Was tue ich hier?
Möchte so gerne frei sein. Möchte so gerne den Tag damit verbringen, zu fühlen. Die Welt verstehen, die mich umgibt. Was gibt es alles, was ich nicht weiß.
Nichts davon kann die Schule mir jemals beibringen.
Möchte so gerne frei sein. Lieben im Sand von Kalifornien, weinen im Schnee von Montreal.
Doch lieber vergesse ich die Erde und lebe in meinem Dorf.
Denn hier ist alles einfach, trist, ja hier ist alles simpel.
Hier ist alles gleich.
Versuche liderlich, mich zu betäuben. Begebe mich in die Texte meines Geschichtsbuch, die Mathematikformeln, setze mir Ziele, von denen ich vermute, sie zu erreichen, wäre von Vorteil. Aber was geben mir 14 Punkte im Kunst Leistungskurs, wenn ich die wahre Kunst, die die Natur uns zeigt, nicht im Herzen trage? Was bringen mir 13 Punkte in Mathe, oder 12 in Geschichte, was bringen mir 8 Punkte in Biologie, wenn mein Kopf immernoch falsch herum auf meinem Hals sitzt? Wenn mein Herz immernoch von Pflastern zusammengehalten wird, weil ich nicht zurückgehen konnte, um die letzten Puzzlestücke aus Australien aufzusammeln?
Wie konnte ich diesen Sandsturm in meinem Herzen einfach stilllegen? Es sollte der Sturm sein, der mich dorthin bringt, wo ich doch hingehöre. Oder ist es noch nicht Zeit? Warum zieht es mich hinaus in die Ferne, wo ich doch weiß, dass ich hier sicher bin? Dass ich hier studieren kann, hier ein Netz habe, und Routinen, und eine Versicherung?
Wie ein ausgewrungener Waschlappen hänge ich über der Bettkante um Elf Uhr dreiundvierzig, und dabei ist es egal, ob es draußen hell ist oder dunkel, ich fühle mich irgendwie verloren.
Ich möchte doch bloß ein Leben führen, über das ich am Abend schreiben kann.


Mittwoch, 8. Februar 2017

ein ganz normaler Mittwoch

Leere, Fülle, mein Kopf, ein Kopf, dreiundvierzig Papiere in dieser Mappe, zweiundfünfzig in der anderen, zu wenig Zahlen auf der Uhr. Ich wünschte mir, ich könnte die Welt kurz anhalten, um einmal richtig zu weinen. Alles dreht sich, ich drehe mich im Kreis um mich selbst dreiundvierzig Mal, und dann zweiundfünfzig Mal in die andere Richtung, und versinke im Moor meines Gedächtnisses. Listen über Listen und sie begraben mich, erdrücken meine Lungen, wickeln sich um meinen Hals wie eine giftige Schlange und zerquetschen mich.
Mein Terminplaner kotzt mich an, ich würde zurückkotzen, hätte ich denn die Zeit dafür.
Kopf heben, Arm heben, Mund öffnen, Mund schließen, lächeln, seufzen, Treppen runter, belanglose Dinge besprechen, Treppen rauf, von ungeschriebenen Romanen träumen, Sätze von der Tafel schreiben, Hefter in die Tasche quetschen, raus in die Kälte, die einem den Rücken hinunterkratzt, aufs Laufband fünf Kilometer rennen, nach Hause fahren, am Schreibtisch vor meinen Listen wegrennen, sie versuchen, zu bekämpfen, während der Kaffee kalt wird, den ich mir voller Stolz beim Umziehen und Abwaschen selbst gekocht habe.
Leere, Fülle, mein Kopf, ein Kopf, der mir nicht mehr gehört.
Ein fremder Kopf, der sich aufgehängt hat. Der verklumpt ist, dessen Arterien verkrustet und dessen Zellen verschleimt, ein Kopf, der vertrocknet ist, und jetzt nicht mehr unter Strom zu stellen ist.
Nur die Funken tun mir weh, doch ich habe keine Zeit, diesen Kopf zu reparieren, denn da liegt eine Liste, die mich bedroht, die ihn bedroht.
Kopfschmerzen klopfen an die Stirn, rechte Taille schmerzt, als hätte jemand ein Messer hinein gerammt, wobei das auch noch toll wäre, denn im Krankenhaus würde man sich vielleicht auch mal meinen rauchenden Kopf anschauen, will mich aber nicht beschweren, denn sonst nimmt man mich nicht mehr ernst, wenn mal wirklich etwas ist, und die Gedanken laufen Marathon im dunklen Wald, dort, wo es Geister gibt, vor denen die Kinder Angst haben, und ich soll mich auf Sichelzellanämie konzentrieren.
Leere, Fülle, mein Kopf, ein Kopf, und die Uhr bleibt auch nach dem siebenundzwanzigsten Blick nicht stehen, und ich seufzte, und ich schlucke, und ich gebe mein Bestes und hefte das vierundvierzigste Blatt Papier ab.

Donnerstag, 5. Januar 2017

Zustandsbericht


Ein neues Jahr hat begonnen und ich habe das Gefühl, als würde ich in den ersten dreißig Minuten eines Filmes stecken: die Personen wurden vorgestellt, die ersten Dialoge haben erste Charakteristiken und Konflikte dargelegt, der Protagonist ist dabei, die Handlung für den Film zu entpacken und langsam ist der rote Faden erkennbar, der Zuschauer ist gepackt, neugierig, gespannt.
Aber ich bin gleichzeitig der Zuschauer und der Protagonist.
Und da liegt der Konflikt dieses Filmes, den ich schaue, der mein Leben ist.

Das letzte Jahr war ein Sieb.
Es hat mich geschüttelt und ausgequetscht, bis all das Hässliche, das Schreckliche, das Depressive und das Schwache im Ausguss verschwand. Im Sieb blieb ein Selbst, das liebt und glaubt.
Und dann war meine Welt für einen kleinen Augenblick rosa und rot.

Doch jetzt hat ein neues Jahr begonnen und ich habe das Gefühl, wichtige Entscheidungen treffen zu müssen.
Irgendwas zu tun, denn es ist 2017 und ich bin 18 und das sind alles Zahlen, die dicke Ausrufezeichen hinter meine Träume setzen.
Kaum habe ich die Farben gefunden, die zu mir passen, schon muss ich mir mein Leben malen, und zwar plastisch und schattiert, denn ich mache keine halben Sachen.
Das Bett, in dem ich liege, ist 1,40m breit.
Und ich denke an Weltreisen.
Ich lese von Ungerechtigkeiten, von Terroristenanschlägen, von Flucht und Krieg, von Korruption und Tierpest, und jedes Wort nagelt sich in meinen Kopf.
Wohin mit all dem Leid?
Das hat sich Buddha auch gefragt.
Aber soll ich jetzt Buddhist werden? Oder soll ich die Welt retten? Soll ich Schlips tragen und in die Politik gehen? Oder soll ich mir Blumen aufs Auto sprayen und Decken an Obdachlose verteilen?
Soll ich morgens um sechs Yoga machen oder abends um zehn Bücher schreiben?
Was soll dieser Mensch tun, der in mir wohnt, wofür ist er gut in dieser Welt?
Soll ich mich für die Tiere engagieren oder für die Menschen? Für die Kranken oder für die Armen? Für die, die sich physisch im Krieg befinden oder die, die sich psychisch im Krieg befinden?
In mir hausen Sorgen, so viele Gedanken, was ich mit meiner Zeit anfangen kann.
Und die Gedanken, die irgendwann obdachlos sind, die gieße ich in Tassen, bis sie voll sind, und stelle sie in meinen Schrank, bis er voll ist, und dann kaufe ich mir einen neuen Schrank von dem Geld, mit dem ich Kinder in Afrika retten könnte.
Das Bett, in dem ich liege, ist 1,40m breit.
Viele Menschen haben kein Bett.
Ein neues Jahr hat begonnen und ich habe das Gefühl, machtlos zu sein.
Machtlos trotz aller Macht.

Mein Herz wohnt überall, deshalb kann ich ihm nicht folgen.

Australien ist immer noch eine Sonne, die in mir scheint und mich mit Energie versorgt, damit ich eines Tages dorthin zurückkehren kann, an die Orte, an denen ich mit 15 Jahren in meinen hellsten und dunkelsten Momenten gelacht und geweint habe.
Ich sehne mich danach, mit diesem Kapitel abzuschließen, was ich am 20. Januar 2014 am Flughafen lassen musste.
Ich muss die Seiten aufsammeln, die in Perth verteilt sind, auf den Steinen der Brandung in Hillarys, oder auf dem Parkplatz in Joondalup, oder auf den Sesseln im Whitfords Shopping Center.
Geschichten, die ich neu erleben möchte, die ich neu erleben muss.
Mein Lebenslauf bisher ist nicht eine gerade Linie. Sie ist unterbrochen, verschwunden in Teilen, in die Irre führend - wären meine 18 Jahre ein Buch, dann wären die letzten drei Jahre zerfledderte Kapitel, ausgerissene Zeiten, schwarz ausgemalte Papiere und ausgewaschene Buchstaben.
Ich muss zurück, um die Seiten aufzusammeln und zusammenzuheften.
Es fehlen mir Gefühle, die ich nur dort fühlen kann, ich muss die letzten Risse heilen lassen, während ich in die untergehende Sonne schaue und meine Füße in den Sand grabe, genau wie damals, mit 15.
Seit einigen Wochen wandere ich in meinem Kopf oft zurück in den Süden und lasse mich treiben, und seit einigen Wochen überraschen mich Tränen, echte Tränen, wenn ich die Bilder an mir vorbeiziehen lasse.
Ich bin nicht traurig. Ich bin sehnsüchtig.
Nach Frieden vielleicht?
Nach einer Wiedervereinigung?
Gespart habe ich wie eine Verrückte das letzte Jahr und stecke schon in den nächsten Planungen für einen Wochenendjob, Sponsoren, Hunde ausführen, Opas Schuhe polieren, Nachbars Rasen mähen, Großcousine's Haus streichen, Schwippschwager's Kiosk leiten.
Doch es gibt immer einen Haken. Immer eine Grenze, und ich dachte für einen Moment, Australien wäre nur noch zwei Jahre entfernt.
Wenn es doch nur die Zeit wäre.
Ein neues Jahr hat begonnen und ich fühle mich müde.

Doch wäre ein Leben bloß Sand am Meer, so wäre ich trotzdem das glücklichste Sandkorn des Strandes.

Denn es sind immer Früchte im Haus, und Brot, und das Wasser aus dem Wasserhahn kann man trinken, ohne ins Krankenhaus zu müssen, und das einzige am Himmel sind Vögel und Passagierflugzeuge, die reisende Menschen zu ihren nächsten Zielen bringen, während sie die Wolken betrachten, als wären es lauter kleine, puffige, süße Sahnehäufchen auf einem großen Pudding.
Und ich werde aufgeweckt von einem Kuss auf die Stirn, gefolgt von einem Ich liebe dich.
An mich wird gedacht, wenn die Menschen schlafen gehen, die mich lieb haben.
Ich rufe an und werde angerufen in Zeiten von Trauer und Ratlosigkeit.
Das alles ist nicht selbstverständlich.
Mein Haar darf ich offen tragen, gelockt oder geglättet, braun, rot oder violett, und ich darf sowohl einen Pullover als auch ein ärmelloses Shirt tragen, und ich darf zur Schule gehen, sogar fahren mit dem Auto, auf Straßen, die gerade erst neu gepflastert sind von der Gemeinde, die sich um Integration kümmert und um gerechte Lohnverteilung und um Altenpflege.
Das alles ist nicht selbstverständlich.
Ich möchte mich nicht in Wohlgefallen suhlen.
Vielleicht war es das Universum, das mich in diese Position gesetzt hat, damit ich etwas verändern kann - vielleicht war es purer Zufall - natürliche Fortpflanzung, Gott, Aliens - aber ich bin hier und ich bin dankbar.
Denn ein neues Jahr hat begonnen und ich bin am Leben.











Montag, 19. September 2016

- Umbruchstimmung -

- warum ich so sein darf, wie ich bin -

23:50 Uhr.
Sagt mein Laptop.
Mir fällt gerade auf, ich habe schon lange keinen Wecker mehr.
Einmal hatte ich einen, bis die Batterie leer war.
Dann hatte ich einen anderen, der aus magischer Hand aufhörte, zu funktionieren.
Als wollte das Universum, dass Zeit in meinem Schlafzimmer vergessen werden soll.
Die Blätter der Bäume ringsherum kann ich im Wind rauschen hören.
Es ist ein beruhigendes Rauschen, das mich hoffentlich bald in den Schlaf wiegt.
Manchmal denke ich, dass ich das Leben zu poetisch nehme.
Alles wird zu einer Metapher. Alles hat einen höheren Sinn. Alles ist wunderschön, tragisch oder magisch. Meine Eltern meinen ab und zu, dass ich mich in meiner Traumwelt verliere.
Aber vielleicht ist das ja unterbewusst meine Absicht.

Nun ist also... jetzt, also vor ein paar Wochen, hat mein neues Schuljahr begonnen, zweites Mal elfte Klasse.
Erstes Mal war nix'.
Momentanes Gefühl: Umbruchstimmung.
Ich habe sanft und zielstrebig an mir gearbeitet, und das soll sich jetzt bezahlt machen.
Diesmal will ich  nicht voll Angst und Scham auf den Tag warten, andem die mündlichen Noten vorgelesen werden, um dann an dem Tag krank zu werden.
Bis jetzt klappt das auch stetig gut.
Ich nenne das mal ganz international "Adulting 101":
Vom melancholischen Teenager zum... nicht so melancholischen Teenager.
Nein, aber mal im Ernst, man sollte das Älter werden und so nicht überbewerten.
Aber auch nicht unterbewerten. Balance, so hat sich herausgestellt, ist schwierig zu erreichen, und noch etwas schwieriger, zu halten.
Oft weiß auch nicht, was ich von allem halten soll.
Am liebsten würde ich mich in mein Häuschen verkriechen, meine Liedchen summen und den Regen malen.
Aber wie soll man ohne eine Meinung überleben.
Was nicht standhaft ist, geht unter.
Erwachsenwerden fordert.
Und etwas zu schaffen, so richtig anzupacken mit Ehrgeiz und Motivation und dann auch dabei bleiben, das fordert.
Ich also komplett Google nach inspirierenden Sprüchen abgegrast und sie allesamt in mein Hausaufgabenheft kopiert, meine Mappen neu angelegt (so richtig mit Glossar) (ich hefte jetzt auch tatsächlich Blätter ein) (jahaaa da könnt ihr mal sehen!).
Schule kann mich nicht mehr kicken. Ich kicke jetzt zurück!
Die Lehrer sollen meinen Namen nicht nur kennen.
Sie sollen ihn fürchten.
Sie sollen ihn im Schlaf winseln!
Mwuhaha!
 
Ich denke in letzter Zeit oft darüber nach, warum ich einen so starken Druck verspüre, mich zu perfektionieren. Äußerlich mehr als innerlich.
Gekommen bin ich auf die These, dass Instagram mein Gehirn wäscht. So kommerzielle-Manipulation-mäßig.
Es geht mir nämlich ordentlich auf den Sack, dass ich beim in den Spiegel schauen so viel zu meckern habe. Da ist so eine Falte unter'm Arsch. Und Schwabbel an den Oberschenkeln. Und meine Arme sind so breit wie mein Bein, wenn ich sie anwinkel #übertreib
aber im Ernst, ist das nicht traurig, wie sehr einen bestimmte Medien beeinflussen?
Ich habe nie an mir gezweifelt, so als verspieltes, kreatives, unschuldiges Dorfkind.
Und an meinem Kopf zweifle ich mittlerweile auch nicht mehr.
Jetzt ist mein Körper dran.
Devise: Selbstliebe!
Heutzutage sind allerdings Dämonen in den Augen unter uns Teenagern anscheinend schöner als Selbstbewusstsein.
Wisst ihr was, schwarz-weiß-Instagram-Accounts? IST MIR EGAL!
Ihr könnt ja euer Glück finden, wann ihr wollt.
Ich lass mich durch euere Misere nicht länger beeinflussen.

Eine weitere Erkenntnis, die sich mir ergeben hat:
Schule hat einen großen Entertainment-Faktor, abgesehen vom Unterricht!
Also die Menschen, die amüsieren mich alle so unbeschreiblich sehr.
In meinem Kopf entpuppen sich die Charaktere Stunde für Stunde. Ich würde euch zu gerne mit Beispielen beglücken, allerdings ist das Risiko, dass gewisse Menschen meinen Blog doch noch einmal zu Gesicht bekommen, nicht gerade gering.
Es ist ja auch nichts negatives, ganz und gar nicht; ich finde es nur wahnsinnig interssant, Menschen zu studieren. Ihr Verhalten - wo gucken sie hin? Wie lange lächeln sie und was sagt mir das? Haben sie Klavierhände? Oder warum tragen sie nur Hemden?

Während dieser Part meines Gehirnes sich in eine wachsende Personenkartei verwandelt, bildet sich die andere zum laufenden Terminplaner mit eingebauten Ablaufdaten.
Stress kann mir leicht die Blutbahn verklumpen, mir die Kreativitätsquelle verklumpen.
Er ist ein Monster und ich muss mit ihm wohnen, in einem Körper, in meinem Körper.
Da mach' ich's mir am besten schön gemütlich. Hol' paar Kerzen raus, mach' bisschen Musik an, damit der Stress und ich gut miteinander aus kommen.
Im Moment balanciere ich auf einem Bein Schule, Hausaufgaben, Sport, Fahrschule, Kochen, Körperpflege, Eltern, Freund, Wohnung und bekomme immernoch jeden Tag mindestens siebeneinhalb Stunden Schlaf.
Mein sechzehn Jahre altes Ich hätte mich mit offenem Mund angestarrt und geglaubt, ich sei nicht von dieser Welt. Das Unmögliche ist tatsächlich möglich, wenn man es an einigen Tagen unmöglich lässt.
Heißt: es ist okay, mal nicht auf dem richtigen Dampfer zu sein.
Einfach Boot nehmen, weg tuckeln, und die Fahrt zum richtigen Dampfer so richtig genießen.
Den hohen Wert des Es Sich Gut Gehen Lassens unterschätzen viele Menschen, so habe ich das Gefühl.
An manchen Tagen lache ich eben selten. Kann auch mal passieren. Tränen sind okay.
Missmut ist okay.
Zweifel sind okay.
Solange man weiterkriecht, weiterstampft, weiterklettert.
Ich wünschte, ich könnte das jedem einzelnen Schüler nahelegen.
Man hört nämlich schon jetzt von über drei Ecken, ja, die oder derjenige kann dem Stress nicht standhalten. Man klagt über Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit, aber es gibt niemanden, der hilft, der den Weg weist.
Und genau da fehlt unserem Schulsystem etwas. Ein Koordinator für jede Jahresstufe, der coacht,oder Klassenlehrer, der sich die Sorgen der Schüler anhört, und ich meine wirklich anhört, sie ernst nimmt.
So sind wir uns allein überlassen. Und müssen eben erwachsen werden.
Wir müssen alle wachsen.

 Ich düse jetzt in die Küche und koche mir irgendein Grünzeug.
Also damit, ein recht biologisch angebautes Adios!

Freitag, 1. Juli 2016

Frühjahrsputz

Es ist gleich Mitternacht, das heißt, noch einmal schlafen und dann bekämpfen mein Freund und ich die 600 km lange Strecke von Kopenhagen nach Hause, bewaffnet mit Zelt, Campingkocher und GoPro.
Das norddeutsche, touristenfreundliche Wetter wird uns voraussichtlich mit sanftem, lieb gemeintem, aber trotzdem Mascara-verwischendem Regen segnen, sodass ich uns momentan vor meinem inneren Auge weniger als zwei ausgelassene, lachende Menschen auf locker leicht fahrenden Rädern sehe, sondern eher als zwei gelbe, triefend nasse gelbe Müllsäcke mit einem Loch für die zusammengekniffenen Augen, die einen schwer gepackten Haufen bedeckt mit einer ebenfalls triefen nassen Plane durch die Gegend ziehen, angestrengt keuchend und den Himmel verfluchend, und bei unserem Glück wahrscheinlich auch noch bergauf. 
Aber noch liege ich in meinem warmen, ruhigen, trockenen Bett in meiner nicht so aufgeräumten Wohnung und genieße die Ruhe vor dem Sturm.
Da dachte ich, kann man sich ja mal wieder melden.
So richtig mit Hallo, wie geht's, und so. 
Ich weiß gar nicht wirklich, wo ich jetzt anfangen könnte.
Es sind jetzt 890 Tage seit meiner A n r e i s e in Australien. 
Holy.
Nochmal zwei Jahre drauf und ich bin wieder da, laut meinen super perfekten Lebensplänen. 
(mein Papa sagt, ich bin naiv. Ich sag, ich bin optimistisch.)
In letzter Zeit verbringe ich viel Zeit damit, aufzuräumen. 
Nicht nur meine Wohnung, die schon viel aushalten musste, sondern auch meinen Kopf.
Im Januar habe ich mir zum ersten Mal wirklich von Herzen gewünscht, glücklich zu werden, und arbeite seither an meinem persönlichen Weltfrieden. 
Mit Schaufel, Spaten, Staubsauger und Besen bin ich am Handwerken, baue neue Räume für gute Gedanken und reiße andere Räume, in denen schlechte hausten, in Grund und Boden. 
Zumindest versuche ich es kontinuierlich und mit allen Kräften.
Lange stand ich vorher in Konflikt mit meinem Konflikt. 
2015 war ein sehr anstrengendes Jahr, in dem viel an mir und in mir leider vergessen hat, dass es etwas wert ist und dass es verdient, gut behandelt zu werden.
Ich bin nicht mehr schüchtern, zuzugeben, dass es mir nicht gut ging. Und ich möchte offen darüber sein, denn zu oft ist es mir begegnet, dass über so etwas nicht geredet wird, dass die Unzufriedenheit der Seele herabgesetzt wird, unter den Tisch geschoben, ignoriert, verstummt. 
Das kann man doch nicht so erzählen. 
Und wenn das jemand liest.
Ja, aber das geht doch nicht, das sollte man sich doch überlegen.
Und das ist doch aber schrecklich.
Ja, manchmal fühlt man sich schrecklich. 
Ja, manchmal ist die Welt, in der man stecken geblieben ist, schwarz und hässlich. 
Und folgendes kann ich nicht sagen, weil das eines dieser Wahrheiten ist, die alle immer meinen, predigen zu müssen, sondern weil das hier meine eigene Wahrheit ist; nichts ist für immer.
Leben heißt Wandel für mich. 
Veränderung, wie die Jahreszeiten wachsen und sterben, um wieder neu zu wachsen, anders, aber mit unaufhaltsamer Stärke und Kraft, so wie Wasser immer fließen wird, und nach Jahrzehnten, gar Jahrhunderten Gestein weicher und flacher schleift als jede Maschine es binnen Sekunden könne, so bin ich zu meinem nie vollendeten Projekt geworden.
Ich möchte lernen, zu reflektieren: lernen, friedlich zu sein gegenüber mir, meinen Gefühlen und denen, die mir die Welt vor die Füße wirft oder in die Hand legt. 
Diese Erkenntnis habe ich gewonnen, als ich einen Teil von mir verloren habe, letztes Jahr, zwischen schlaflosen Nächten und - ich wollte schreiben, nass geweinten Kissen, aber es gab keine nass geweinten Kissen, weil ich nicht weinen konnte - und so wurden die Tränen zu scharfen Glasperlen und haben sich wie eine Made von innen durch meinen Optimismus gefressen, und das Loch, was sie hinterließen, schluckte jegliche Positivät, Hoffnung, jeglichen Glaube an mich und schlussendlich mein Bewusstsein und meine Verantwortung für mein Leben. 
Das kann ich jetzt sagen, damals hab ich mich verzweifelt gesucht und dabei alles durcheinander gebracht. 
Das klingt jetzt alles so poetisch, eigentlich bin ich überhaupt kein Fan davon, Depressionen so zu romantisieren. Aber es ist so, dass dieser Weg der einzige ist, es überhaupt zu beschreiben. 
Es.
Was ist das?
Wer weiß das schon?
Eine dieser Kulturepidemien, die man heutzutage hat, so wie Laktoseintoleranz und Burnout? *Achtung Sarkasmus*
Darf ich mich überhaupt ernst nehmen? - war eine Frage, die ich mir oft gestellt habe, nachdem ich die dritte volle Stunde aus dem Fenster gestarrt hatte und mein Mut, weiterzumachen, mit mir verstecken gespielt hatte.
(Ich war noch nie gut im Suchen).
Was ist das auch, wenn man sich mit letzten Kräften im Deutschunterricht zusammenreißen kann, um, sobald meine Haustür ins Schloss fällt, in betörendsten Disharmonien zu weinen und zu schreien beginnt - ich konnte es nicht verstehen. 
Meine Eltern wollten es aber erklärt bekommen. 
Mein Freund wollte mir aber heraushelfen. 
(Meine Schule wollte es gerne ignorieren).
Meine Therapeutin ausführlich besprechen. 
Aber ich konnte es einfach nicht verstehen, und von allem war das das Beängstigendste. 
Ich möchte jetzt offen über das reden, was ich über das denke, was ich tue, und was andere tun, und was wir vielleicht alle anstelle dessen tun sollten. 
Hallo, ich bin ein Mensch auf dieser Erde, und ich denke nach. 
Ich bin lebendig, und ich möchte das Beste daraus machen, jeden Tag, jede Stunde. 
Dieses Jahr habe ich lange gebraucht, um den Staub von meiner Lunge zu wedeln, aber jetzt ist er weg und ich kann wieder atmen! 
Das verdient schonmal ein Ausrufezeichen. 
Am Ende wird alles gut, nicht wahr?
Warum nicht einfach mal dran glauben. 

Ich habe übrigens wieder eine Hausfliege.
Meine erste Hausfliege wohnte vor einem halben Jahr für eine Woche bei mir. 
Ich nannte sie Hugo. 
Er saß im Bad, wenn ich geduscht hab, krabbelte freudig auf meiner Hose, wenn ich durch Youtube stöberte, und schlief an der Wand meines Schlafzimmers. 
Bis eines dunklen, regnerischen Sonntagabends (lasst es mal regnen um der Dramatik Willen), ich war in Eile, klappte gedankenverloren den Laptop zu und fiel todmüde ins Bett, bis ich am darauffolgenden Abend aus meinen Gedanken gerissen, in Schock versetzt wurde und in bittere Tränen brach, als ich den Bildschirm wieder aufklappte und das, was mal mein treuer Gefährte Hugo war, am Screen klebte. No joke, ich hab wirklich für gute zehn Minuten geweint. Mein Herz hat noch immer einen kleinen Riss, da wo Hugo's Platz gewesen ist... 
Eine Beerdigung im Beet gab es auch. 
Es war sehr dramatisch. 
Ruhe in Frieden, Hugo...
Wie dem auch sei, nun lebt Hugo der Zweite seit drei Tagen bei mir, und ich muss sagen, wir freunden uns schnell an! Er ist auch sehr besucherfreundlich und überhaupt nicht aggressiv, sehr stubenrein. Bin sehr zufrieden mit ihm. 
(Ja, ist vielleicht gar nicht so schlecht, das mit der Therapie ;)) 

Abgesehen von Hausfliegen habe ich noch einige andere Vorlieben entwickelt, die mir bei meinem emotionalen und mentalen Frühjahrsputz behilflich sind. 
Da wären zum einen meine Pflanzenfamilie, die monatlich glücklichen Zuwachs und viel zu viel Wasser bekommt, und gehütet wird wie mein Herz und meine Seele. 
Die drei Orchideen auf meiner Fensterbank müssen täglich vor bedrohlichen Gefahren beschützt werden und ich freue mich wie eine Mama über ihr Neugeborenes über ihr wöchentliches Bad in der Spüle. 
(Hugo der Zweite flog gerade an meinem Kopf entlang und wollte Hallo sagen) 
Dann wäre da mein radikaler Umstieg auf eine vegane Ernährung und der Vorfall, als ich meinen wöchentlichen "veganen Karamell Macciato" bestellte, "zum Hier essen" *facepalm*
Außerdem wären da auch noch diese hübschen Lush Badebomben, die so schön ästhetisch auf Instagram aussehen, wobei ich, nachdem ich das Foto gemacht habe, hilflos der Rutschigkeit der Badewanne ausgeliefert bin und mich mit meinen -3 Bauchmuskeln nicht aus der Situation hinaushelfen kann, jämmerlich im Schaum zu ertrinken. 
Aber wenigstens #lushlife. ;) 
Schlussendlich kann ich sagen, dass ich erfolgreich auf dem sicheren Weg zum Öko-Hippie bin, der den ganzen Tag grünen Tee säuft und Chia-Hummus-Brötchen verspeisend in seinen abstrakten Harlem Hosen (ihr wisst schon, diese kitschigen Riesen-Windeln) in Lavendelrauch meditiert. 
Bis dahin hab ich dann auch einen Napf für Hugo den Fünften und Sechsten, sowie ein ganzes Regal voller bunter Orchideen, von denen jede einen Namen trägt. 
Und damit nun ein recht biologisch angebautes und rein pflanzliches Gute Nacht! 





Montag, 25. April 2016

(vielleicht denk' ich auch nur zu viel)

- allgemeine Warnung: dieser Post drückt lediglich meine eigene Meinung und Auffassung aus und muss keinesfalls auf sämtliche Schüler der Bundesrepublik Deutschlands zutreffen!! -




Guten Morgen liebe Schüler, bitte verteilt diesen Text. Wer ihn am schnellsten analysieren, rezensieren und kritisieren kann so wie ich es mag, bekommt eine eins, und der Rest von euch kann ihn zuhause nochmal auskotzen und die darunterstehenden dreizehn Aufgaben zu nächster Stunde erledigen. 
Ist, was in meinem Kopf ankam. Die Zettel wurden herumgereicht. 
Allgemeines Seufzen und Stöhnen. 
Es war ein Gedicht. 
Ich mag Lyrik. 
Konstellationen von Reimen und Wörtern auseinanderfummeln. Ein Wirrwarr aus Metaphern herunterbrennen auf die Grundbausteine. Und vor allem, Lyrik gibt mir etwas zum Fühlen. 
Poesie, die berührt. 
Die bewegt. 
Ein Mensch, irgendwo damals Jahre zuvor, in einer anderen Zeit, zu der es noch keine LED-Lichter gab, hat sich hingesetzt im Scheine seiner bronzefarbenen, dicken Kerze, an der bereits mehrere Wachsschichten herabtropften, und er tunkte seine Feder in die Tinte und schrieb nieder, was ich jetzt lesen kann. Vielleicht hatte er auch eine Schreibmaschine und der Raum war benebelt von Zigarrenrauch - irgend so eine teure, alte, edle Zigarre aus Amerika, als die Menschen gerade entdeckten, dass man handeln kann. Und auch dieser Mensch tippte seine Gedanken nieder. 
Und ich kann sie lesen, weil ich lesen gelernt habe damals mit dem Lesebär Umi in unserem Dorf, und ich frage mich oft, wie die Schule es schafft, so etwas Tolles, wirklich wahrhaftig tolles, schlicht und einfach auszutrocknen. 
Das ist Leben auf unseren Blättern. 
Und wir können die Sätze sezieren wie ein Chirurg - ich hielt mein imaginäres Skalpell, den Kugelschreiber, mit Leichtigkeit. 
Zündschlüssel rumdrehen, Gehirn fängt an, zu laufen, Gedanken fahren hoch. 
Doch weit kam ich nicht. 
Austrocknen...das ist ein gutes Wort. Vor allem für die Schule. 
Wäre jeder Schüler eine Pflanze, würde die Pausenhalle einer Steppenlandschaft gleichen. 
Ist es nicht auch die Aufgabe der Lehrer, zu erkennen, was wir für Pflanzen sind, um uns dementsprechend zu gießen? 
Sprinkleranlagen können zarte Sprossen ertränken. 
Mein Blick wanderte von Stuhl zu Stuhl. 
Ich sah junge Menschen, die müde sind. Denn es heißt, Schlaf oder Szenen-Analyse.
Schlaf oder Vektorenrechnung. 
Und wir machen keins dergleichen. Bleiben wach, wollen leben, wissen aber auch nicht wirklich, wie. Schlafen kann ich, wenn ich alt bin, hab ich mir vor ein paar Jahren immer gesagt. 
Und jetzt ist der aufregendste Moment des Tages, wenn ich schon um 21 Uhr ins Bett fallen kann. 
Wann habe ich aufgehört, mir um Mitternacht Frühlingsrollen in den Ofen zu legen und davorzuhocken wie ein kleines Kind, die Arme um die Knie geschlungen, um gespannt zu beobachten, wie sie brutzeln und braun werden? 
Es fühlt sich an, als hätte ich mich ergeben. 
Die Schule hat mich ausgetrocknet. 
(Oder werde ich bloß erwachsen?)
(Wenn ja, so helft mir!) 
Aber es ist eigentlich schade.
Jeder von uns, jeder Mensch in dieser Schule ist ein Museum aus ungeborenen Ideen.
Und gleichzeitig wurde jedem von uns ein hölzerner Kasten auf den Kopf gesetzt, in den diese Ideen hineingepresst werden sollen.
(Tja, liebe Schule - ich nehme mir jetzt einfach eine Säge..)

Wir sind hier, um zu lernen.
Ja.
Aber was lernen wir?
Wie wir in zehn Minuten eine vierseitige Zusammenfassung reproduzieren können.
Dass das Beißen in den Finger effektiver wach hält als regelmäßiges Fußwippen.
Dass Frau Müller Tobias nicht mag.
Und dass Tobias Leon nicht mag.
Und dass Leon jetzt ausgelacht wird.
Und dass wir nichts sagen.
Und dass Lena so dünn und still geworden ist.
Und dass wir nichts sagen.
Und irgendwann kommen Leon und Lena nicht mehr zur Schule.
Hier laufen Dinge falsch, gewaltig falsch. 
Ich sehe junge Menschen, die Angst haben; Angst davor, laut zu sein und bunt und groß; sie wandeln durch die Gänge in grauen Shirts und zu großen Hosen, Kopf gesenkt, Augen fahl. 
Ich sehe junge Menschen, die sich heimlich hassen, weil ihnen jeder Lehrer sagt, was sie falsch machen und keiner sich daran zu erinnern scheint, dass Noten nur Zahlen sind und Menschen keine Maschinen, die man kategorisiert und bewertet.
Ich sehe junge Menschen mit roten Augen und verwischtem Eyeliner, denn sie haben gerade das vierte Mal auf der Schultoilette weinen müssen, weil ihre Mutter Chefärztin ist, aber nicht sieht, wie krank der Stress ihr eigenes Kind macht.
Ich sehe junge Menschen, die ihre Träume in den Mülleimer werfen zusammen mit den leeren Plastikbehältern von dem labbrigen Salat aus dem Netto um die Ecke.
Ich sehe junge Menschen, die nichts von sich halten, denn warum sollten sie, mit so einem Zeugnis.
Bildung sollte Flügel verleihen und sie nicht etwa abschneiden.
Aber hier wird alles, was zählt, reduziert auf die Anzahl der Meldungen pro Stunde und ob das noch für eine 4- reicht.
Der neumodische Schülerkopf ist nicht das Zuhause für eine neue Generation, die große Projekte baut, die die Welt rettet und die Menschheit aufhebt; der Schülerkopf des einundzwanzigsten Jahrhunderts ist ein graues Gerüst von Struktur - ein Produktdesign der alten Politiker und heranwachsenden Medien.
Der Schulstoff wird uns nur noch reingeprügelt.
Zweite Woche nach den Sommerferien, und wir haben plötzlich schon die erste Arbeit vor der Nase. Kurzes Schuljahr? Pech gehabt. Müsst ihr eben mehr machen.
Noch schneller.

Ich bin jetzt in der elften Klasse und jeder, mit dem ich über das unbekannte, gruselige, schwarze Loch rede, auch bekannt als Zukunft, der sagt mir: ich will erstmal raus. Was machen. Noch mehr Schule, Studium, das kann ich nicht.
Und dann, als hätten sie es aus weiter Entfernung riechen können, wuseln plötzlich eifrig drei Lehrer heran, um uns über den Ernst des Lebens zu belehren, und wie glücklich wir uns schätzen könnten, jetzt noch solch eine schöne Zeit in der Schule haben zu können.
Und ja klar, so manch ein Beruf ist anstrengender als diese Schule.
Wir machen ja auch eigentlich nichts.
Genau..
Wir machen ja nichts.
Wir werden in Profile und Wahlsysteme gesteckt, belegen Fächer, die uns nicht liegen, nicht interessieren; in diesen Fächern sitzen wir zwei, dreimal die Woche in einem Raum und hören uns Dinge an, die uns nicht bewegen, nicht berühren; es werden uns lange Hausarbeiten auferlegt, die uns wie Steine in der Tasche liegen; nach und nach müssen wir unsere Hobbies aufgeben, um diese Hausarbeiten noch erledigen zu können, obwohl wir sie doch nur liederlich bearbeiten; als nächstes wird unser Spaß gestrichen, denn Schule geht vor. Wir können nicht mehr runterkommen, sind konstant auf dem heißen Draht, lenken uns ab mit stumpfen Handspielen ohne Ziel - bloß nicht denken, bloß nicht anstrengen - denn wofür auch, wir hassen mittlerweile alle unsere Fächer, denn sie sind Schuld, dass wir nicht vorankommen mit dem, was wir eigentlich machen wollen. Und wir könnten uns ja motivieren, aber wofür? Die Lehrer kriegen so oder so ihr Gehalt. Und dann noch die ganze Scheiße fünf Jahre lang an einer Uni mit älteren Professoren und längeren Facharbeiten durchkauen? Um dann den Rest unseres Lebens in ein und demselben Beruf zu stecken, und kleine Schüler mit einem bitteren Ton der Weisheit darüber belehren zu können, wie glücklich sie sich schätzen können...ja, genau wie ich mich in diesem Text verloren hab, verliere ich mich im Alltag.

Niemand haut mehr auf den Tisch und stellt die Dinge klar.

Alle ducken sie sich nur noch.

Und doch sitzen wir morgen früh vereinheitlicht und mehr oder weniger frisch gebügelt und gekämmt auf unserem Platz und seufzen, wenn die Zettel rumgereicht werden.
Die Schule ist wie der Kakao, den man sich bei uns für 50 Cent im Nordgebäude kaufen kann.
Trüb und geschmacklos.
So kommen wir nicht voran.
Liebes Schulsystem, ich bin eine Lilie.
Und meine Freunde sind Tulpen.
Bitte behandelt uns nicht wie Kakteen.

... wie auch immer. Muss jetzt aufhören, zu schreiben. Hab noch Mathehausaufgaben zu erledigen..



Freitag, 11. Dezember 2015

Ein Toast mit Mut

Wir schreiben den 13. November zweitausendundfünfzehn. Halb vier nachmittags. Planet Erde. Deutschland.
Ich befinde mich in meiner kleinen Kammer.
Hab ich euch schon von meiner Kammer erzählt?

Ich kann stundenlang in meiner kleinen Kammer sitzen, aus dem Fenster starren und fühlen.
Als würde ich meine Probleme und Verantwortungen und Pflichten aussperren, ziehe den Vorhang zu und bin nicht mehr ich.
Ich bin etwas viel undefinierbares, viel ungreifbares.
Unaufhaltsam wie Wasser, unsichtbar wie Luft, unbändig wie Feuer.
Es ist fast schon als wäre ich kein Körper mehr, nur noch eine Seele.
In diesem Zustand kann ich alles erreichen.
Ich bin grenzenlos.
Nach oben, und nach unten.
Und dann bin ich nicht mehr auf dieser Welt.
Ich bin mal hier, mal da, schlender' durch Fantasien und Träumerein als wäre mein Kopf eine Blumenwiese.
Ich geh' ein bisschen zurück, drei Tage, vier Monate, fünf Jahre. 
Führe Gespräche erneut, bemerke Feinheiten, die mir in der Beständigkeit des weltlichen Lebens entgangen sind.
Sammle auf dem Weg Gefühle und Gedanken auf wie solch Kieselsteine, die von Kindern entdeckt und als schön empfunden werden und Mama stolz in die Hosentasche gesteckt werden, für später. 
Ich sammle also emotionale Kieselsteine, für die ich noch keine Zeit gefunden habe, und nehme mir die Zeit, sie zu denken und zu fühlen.
Und wenn ich dabei woanders hingetrieben werde, dann lass' ich mich treiben.
Manchmal treffe ich mich selbst wieder, manchmal verliere ich mich komplett.
Noten können plötzlich zeichnen, 
Bilder können plötzlich schreiben, 
und Worte können mich plötzlich zudecken.
Wenn ich vergesse, wer ich zu sein scheine, ist die ganze Welt plötzlich so viel bunter.
Währenddessen geht die Sonne unter, meine Eltern kommen nach Hause, ein neuer Tatort läuft im Fernsehen, die Straßenlaternen gehen aus, die Vögel schlafen ein.
Und ich denke über andere Spezien nach.
Und die Sonne geht wieder auf.
Und meine Augenringe werden tiefer.
Und ich gehe in die Schule, und schaue in so viele Augen. Schaue durch so viele Menschen.
Betrachte meine Lehrerin.
Betrachte den Baum auf dem Pausenhof.
Betrachte die Wörter in meinem Heft.
Betrachte meine Hand.
Frage mich, was ein Bewusstsein ist.
Frage mich, ob sich in diesem Raum noch jemand fragt, was ein Bewusstsein ist.
Betrachte die Uhr.
Realisiere die Zeit als solches.
Und so vergeht eine Stunde.
Eine Stunde, in der alle anderen im Raum etwas über die Proteinbiosynthese in Mikroorganismen gelernt haben.
Eine Stunde, in der ich nichts über die Proteinbiosynthese in Mikroorganismen gelernt habe.
Mir fällt es schwer, present zu sein.
Ich finde diese Ebene des täglichen Lebens oft viel zu beständig, geordnet, kontinuierlich.
Die Anderen scheinen ihre Zufriedenheit aus Strukturen zu ziehen, in denen sie sich sicher fühlen. 
Während sich alle Welt freiwillig die Beine fesseln lässt, wünsche ich mir jedoch nichts sehnlicher als Freiheit.
Freiheit vom Weg, den sich die kleindenkenden Kritiker für mich vorstellen. Der führt mich um 22 Uhr brav ins Bett und um 6.30 Uhr pünktlich wieder hinaus. 
Ich bin aber nicht pünktlich, und ich habe meine Blätter nicht alle eingeheftet, und ich habe meine Überschriften nie unterstrichen, und wenn, dann ohne Lineal, und mit demselben Kugelschreiber, mit dem ich schreibe, und die Linie, die ich ziehe, ist nicht gerade - sie ist krumm, manchmal gewellt, weil ich lachte, oder geknickt, weil ich angestubst wurde, oder manchmal hört sie auf, weil die Tinte nicht schnell genug nachgelaufen ist. 
Aber ich mag diese Linie, sie ist meine Linie, und ich möchte meine Linie gerne so ziehen, wie ich sie ziehen möchte, denn eine anscheinend unsichtbare, anscheinend aber existierende Verordnung für das Ordnungsgemäße Ziehen Von Linien hat keine Relevanz für mein Glück. 

Dieses Jahr wünsche ich mir zu Weihnachten meine Lebendigkeit. 
Ein Dasein, bei dem ich fühlen kann, und denken kann, solange und so tief wie es mich treibt, ohne dass es an allen Wänden geschrieben steht, dass ich wieder einmal nicht gefallen habe. Dass ich falsch war, weil ich ich war. 
Dieses Jahr wünsche ich mir zu Weihnachten Lebensmut. 
Ich wünsche mir Mut zum Leben. 
Es gibt da nämlich einen gewaltigen Unterschied zwischen Existieren und Lebendig sein. 
Und zum Lebendig sein, da braucht man meiner Meinung nach mehr als nur 'nen Teelöffel Mut. 
Ich hätt' gern ein Glas voll Mut bitte, am besten mit wiederverschließbarem Deckel, damit der ganze Mut nicht rausläuft, und vielleicht könnte man den ja auch monatlich liefern lassen, das wär' mir ganz sympathisch.
Und dann ess' ich zum Frühstück eben einen Toast mit Mut. Und hoffentlich lässt sich dann alles leichter handhaben.
Denn bisher, so ohne Mut im Magen, ess' ich nur die Stresssteine, mit der Gabel und dem Messer, die ich mir selbst geformt hab aus meinen Unsicherheiten. Bekommt mir nicht so gut. 

Und wie wenn man mit einem Messer zuerst ein Nutellabrot schmiert, und direkt danach ein Marmeladenbrot, so schmeckt das Marmeladenbrot ein wenig nach Nutella, und so schmeckt auch mein Leben nach all den Dingen, die mich in einer Art zuvor berührt haben. Und alles wird mich berühren und bewegen, ob bewusst oder unbewusst.
Ich bin also in ständiger Bewegung.
Und in den letzten Wochen habe ich verzweifelt versucht, einen Begriff dafür zu finden.
Eine Art Überschrift, die beschreibt, wie mein Marmeladenbrot schmeckt. Wie ein Namensschild, eine Etikette, die das Netz der Vergangenheit und Zukunft zusammenfasst. Aber es rinnt mir durch die Finger wie Sand, und ich weiß nicht mal, was es ist, das mir entweicht.
Alles bleibt und alles geht.
Gib mir ein Wort für die Art und Weise, wie Dinge passieren.
Menschen verlassen uns plötzlich.
Aber manchmal sehen wir sie auch jahrelang davonkriechen.
Genauso können wir sie jahrelang auf uns zugehen sehen, schon von weiter Ferne, und manchmal werden sie schneller und wir rennen ihnen entgegen bis wir Meter für Meter mehr von ihrer Silhouette erkennen können, die Gesichtszüge, die Grübchen, die Augenfarbe, bis wir ihre Stimme, ihren Geruch uns einprägen, ihre Schuhgröße und Form der Fingernägel, und dann plötzlich drehen wir uns um und bemerken, dass wir zu nah waren, um zu bemerken, wie wir aneinander vorbei gerannt sind.
Gib mir ein Wort dafür.
Für die Art und Weise, wie solcherlei Dinge passieren.
Wie wir fühlen, und dann nicht mehr fühlen. Und wie das sein kann, die Sache mit dem Fühlen an sich.
Es ist die Machtlosigkeit, die für uns Menschen so unbegreiflich ist.
Machtlos dem Universum ergeben. Dem Schicksal. Der Natur. Egal, was auf der Medikamentenbox steht - wir sind im Endeffekt sogar gegenüber uns selbst machtlos.
Denn nicht mal unsere Gedanken geschweige denn Gefühle können wir zu hundert Prozent kontrollieren.
Wir sind intuitiv; wie ein Fluss, der einfach plätschert (ba dumm tzz für alle, die schon länger dabei sind) (*hust* okay, jetzt wieder ernst)
Doch wie sie alle versuchen, so zu tun, als hätten sie alles im Griff;
Komische alte und übergewichtige Herren und Damen in Krawatten, die Entscheidungen treffen über die Zukunft des Planeten - die aufschreiben, wie wichtig Bäume sind, auf Papier, für das sie genau diese Bäume fällten.
Alle Menschen sind Ameisen, die arbeiten und arbeiten und an einem großen Haufen bauen, aber sie sind zu klein, um zu sehen, was das überhaupt für ein Haufen ist.
Was ist das für ein Haufen?
Und wo ist dieser Haufen? Was ist das für ein Wald, indem wir unseren Haufen bauen?
Und wo ist dieser Wald?
Gibt es noch mehr Ameisen? Haben die vielleicht einen viel größeren Haufen gebaut? Vielleicht können die ja stechen! Oder vielleicht gibt es ja auch Ameisenbären, die uns Ameisen auffressen wollen...
Uns kleine, intuitive, fühlende Ameisen, die Mutbrote zum Frühstück essen müssen, weil sie sonst Angst haben.
Aber ich möchte keine Angst haben.
Ich bin vielleicht eine Ameise, und ich bin vielleicht klein, aber ich geh' jetzt da raus und entdecke den Wald, denn die Wahl, die ich habe, ist einfach:

Existieren oder leben.
Kriechen oder rennen.
Atmen oder beben.
Frieren oder brennen. - das Telefon klingelt. Abendessen ist fertig.
Ich schließe den Laptop.
Ziehe den Vorhang zu.
Gehe rüber in die Küche.
Bis zum nächsten Mal, Kammer.













Dienstag, 20. Oktober 2015

Die Vögel und die Zweige


Ein Käfig steht am offenen Fenster.
Die seidenen Gardinen flattern jeden Tag im Wind, 
fliegen wild umher, und so wünschte der Vogel nur, 
er könne fliegen genauso frei wie sie, und doch stößt er mit jedem Versuch an die harten Gitter.
Und so lernt er, seine Flügel zu vergessen.
Jeden Tag kann er den Stimmen der Welt lauschen, 
hört die Sirenen aus der Ferne als würden sie nach ihm rufen, 
und er zwitschert ihnen sehnsüchtig hinterher, doch sie verstummen.
Und so lernt der Vogel, zu schweigen.
Er schnuppert die Düfte, die hereinwehen – von frisch gebackenen Crepes und Benzin, 
von Waldboden und roten Rosen, und immer reckt er seinen Hals, 
doch die Brise verweht, ehe er sie fangen konnte.
Und so lernt er, den Atem anzuhalten.
Durch sein Gitter sah er die Erde sterben im Herbst und erwachen im Frühling, 
und ach, wie sehr er sich sehnte, mit ihr zu atmen, 
doch war er nie lebendig gewesen.
In seinem Käfig, da hängt ein runder Spiegel. 
Voller Stolz betrachtete er einst mein Federkleid, 
doch wenn er nun in den Spiegel sah, 
so wuchs er lang nicht mehr vor Wonne, 
denn wo einst ein Regenbogen schimmerte, 
trug er einen Umhang nun, ganz grau und matt.
Und letztendlich lernte er, die Augen zu verschließen.

Ein Vogel, der alles hat – er ist wohlgenährt, beschützt und geliebt – doch hat er eines nicht, das ist die Freiheit.
Ist es wert, sein körperliches Wohlbefinden, letztendlich sein Leben, auf's Spiel zu setzen, wenn das bedeute, dass er endlich fliegen kann, so wie es die Natur für ihn vorgesehen hat?

- so begann ich vor drei Wochen den Brief, der mein Leben umkrempeln sollte.
Und so beginne ich heute diesen Post, der vielleicht dein Leben umkrempeln wird.

All die Zeit, die ich schon auf diesem Blog schreibe, habe ich besonders in Australien versucht,
von Positivität und Lebensfreude und Optimismus zu strahlen. 
Aber besonders die letzten paar Wochen haben mir gezeigt, 
dass sich zumindest mein Weg mit Ehrlichkeit, Offenheit und simpler Akzeptanz
ein bisschen unbeschwerter gehen lässt. 
Und so schrieb ich weiter: 



Ich fühle mich wie ein trauriger Wellensittich.
Gefangen im eigenen Käfig.
Und mein Käfig gefällt mir manchmal. Hübsch hat man ihn mir bemalt.
Aber nachts beginne ich, die Gitterstäbe zu zählen. Ich drehe mich um mich und finde keinen Weg hinaus.
Mein Leben ist verfallen in eine endlos wiederkehrende Struktur aus Zwang, Pflicht und Versagen.
Sobald ich meine Augen aufschlage, wünsche ich mir, sie wieder zuzuschlagen.
Die einzige Kohle, die die Flamme in mir noch am Lodern hält, ist der Funken an Hoffnung, eines Tages die Augen aufzuschlagen und froh darüber zu sein, sie aufgeschlagen zu haben. Doch wird dieser Tag jemals kommen, wenn ich nie etwas verändere?
Entweder fühle ich mich, als hätte ich versagt, oder als verschwende ich meine Zeit.
Auf dem Weg zur Schule treffe ich mich jetzt immer mit meinem Schatten. Er heißt Depression. Wir gehen immer zusammen zur Schule. Er hat sich zwischen mich und meine Freunde gedrängelt. 
Oft kommt er auch mit mir nach Hause und sitzt neben mir, wenn ich versuche, mich zu konzentrieren. Dann lege ich meine Schulsachen beiseite und versuche, ihn zu überzeugen, wegzugehen. Doch manchmal bin ich ganz froh, dass er da ist. Dann fühl ich mich weniger allein...

Ich habe keine Lust mehr, das Leben zu leben, das ich lebe.
Der Stress schleißt sich in mein Blutsystem und lässt meine Venen verklumpen.
Dieses Schulsystem füttert mich nicht mit Wissen. Es füttert mich mit Steinen.
Und die kommen nicht in meinen Magen.
Sondern in meine Lunge.
Sie sind der Grund, warum ich so manchen Abend zusammengekauert in meinem Zimmer nach Luft schnappe, außer Kontrolle vor Tränen.
Dieses Schulsystem gibt mir keine Basis, auf der ich meine Zukunft errichten kann.
Es kommt mit einem Vorschlaghammer und zerstört das Haus aus Sand, das ich mir bereits ganz alleine gebaut hatte.
Es nimmt all meinen Stolz und all mein Ich, und will es zerquetschen wie ein Stück Knete, und anschließend rund formen, damit ich durch all die Löcher passe, die für uns vorgesehen sind.
Aber ich möchte nicht rollen. Ich bin keine Kugel.
Ich bin ein Vogel.
Darf ich meinen Käfig satt haben?

Ich habe diesen Käfig satt.

Der Moment des Verfassens dieses Briefes war ein Moment der Verzweiflung. 
Doch aus dieser Verzweiflung wuchs Hoffnung.
Und aus dieser Hoffnung gedeihte ein kleiner Spross, von dem nach und nach Zweige 
emporragten, Zweige der Möglichkeiten. 
Zweige der Zukunft.
Zweige, auf denen sich das eingesperrte Vögelchen aus meinem Brief
ein Nest bauen könnte. 
Und so schrieb ich weiter: 

Solange ich etwas hatte, dass als Abfluss dienen konnte für diesen stark konzentrierten Cocktail an Gefühlen, war alles okay.
Nicht gut, aber gerade so okay.
Okay genug, um es aushalten zu können.
Aber allmählich hatte ich an einer Maske gebastelt. Und bis heute habe ich keinen diese Maske vollständig durchblicken lassen.
Vielleicht aus Angst, was sich darunter verbirgt, die hässliche Wahrheit, ohne verschönerte Tragödien des schönen, traurigen Mädchens mit dem gebrochenen Herzens. Aus Angst, nicht anders zu sein als alle anderen. Aus Angst, nicht zu wissen, wer ich wirklich bin. Was mich von allen abhebt, wenn nicht das. Ob ich überhaupt interessant genug bin.
Ich.
Was ist das?
War ich wirklich die Person, die ich war, wenn ich alleine bin? Vielleicht ist das echte Ich ja auch die Anna, so wie sie sich in der Öffentlichkeit gibt? Aber was ist dann der Rest?
Es war ein tragisches Schauspiel. Und hinterm Vorhang hab ich immer geweint.
Denn tief drin wusste ich, ich reite ins Verderben.

Seit fast schon zwei Jahren wusste ich nun,  dass ich ins Verderben reite. 
Jetzt steh' ich vor dem Ortsschild des Verderbens. 
Und hab mich entschieden, umzukehren. 
Ich möchte doch nicht ins Verderben. 
Ich weiß zwar nicht, was es da draußen noch für Orte gibt, 
und ob dann vergleichsweise das Verderben vielleicht doch der bessere Ort ist,
doch wenn ich nicht gehe 
dann werde ich es nie wissen.
Und so schrieb ich weiter: 

Ich möchte nicht einfach nur leben. Und ich werde auch nie einfach leben. Das Einfache Leben als solches würde mich langweilen. Ich werde immer fordern, testen, riskieren, kritisieren und entdecken. 
Was ich sagen möchte, ist, ich wollte jemand tolles sein. Ich wollte überhaupt jemand sein.
Aber wenn das bedeutet hätte, dass all diese Gefühle für immer so laut sein werden würden und meine Tür fünfmal am Tag einrennen würden, dann mochte ich garnichts mehr sein.
Ich wusste auch garnicht mehr, wie das funktioniert, zu sein.
Ich wusste auch nicht, ob ich's lernen mochte.
Ich redete mir ein, dass es so nicht weitergehen konnte.
Und dann redete ich mir wieder aus, dass es sich jemals verändern würde.
Es ist ein ewiges Hin-und Her.
Und es gibt keine Konstante.


Diese Konstante muss ich mir jetzt bauen.
Aber das braucht Zeit.
Für ein Haus, in das meine Zukunftspläne einziehen können, 
brauche ich zunächst ein Fundament aus motivierenden Gedanken und gesunden Auffassungen.
Die glücklichen Fundamente, die halten besser.   
Aber wenn mir da fünftausend Architekten und Bauunternehmer hineinpfuschen
und meinen, sie wüssten es besser, wie man ein Fundament gießt
oder ob die Nägel nach Süden oder Westen zeigen sollen, 
dann hör ich sie mir an, 
aber schicke sie dann wieder von meiner Baustelle.
Denn das hier ist jetzt meine Baustelle. 
Und mein Spross.
Und mein Zweig. 
Und wenn er abbricht, dann bricht er eben ab.
Dann such' ich mir einen neuen.
Kein Vogel würde sich missmutig in einen Busch verkriechen und herumnörgeln.
Er würde immer und wieder ein neues Nest bauen,
bis er zufrieden ist mit seinem Werk.
Und dann legt er die Eier. 
Ich kann keine Eier legen ohne ein Nest.
Ich kann keine Räume dekorieren ohne stabile Wände.
Und ich kann nicht glücklich werden ohne eine offene Käfigtür.

Ich hab in den letzten 1,5 Jahren viel mit mir vereinbahrt, was ich nicht mit mir hätte vereinbaren müssen.
Ursprünglich war ich immer der Auffassung, dass derjenige, der dem Schmerz entgegenhält 
ohne auszuweichen, der Starke ist.
Derjenige, der alles diszipliniert und gnadenlos durchzieht,
der alles wegzustecken scheint, ohne sich zu beschweren. 
Doch es hat mich zeitweise mein eigenes Lachen gekostet,
um zu realisieren, dass der Starke eben auch derjenige ist,
der sich nicht alles gefallen lässt, der nicht alles erträgt und 
nicht mit zwei abgehackten Beinen noch immer auf dem Schlachtfeld herumkriecht.
Stark sein bedeutet auch, Niederlagen zu erleben, den Sand abzuschütteln und weiterzumarschieren,
aber diesmal vielleicht in eine andere Richtung.
Frieden schließen können mit vergangenen Wunden, und loslassen zu können 
von den festgefahrenen, schadhaften Mustern. 
Reflektieren, Diskutieren, Kontemplieren. 
Den individuellen Weg für seinen eigenen Geist finden. 

Ab sofort höre ich auf mein Bauchgefühl.
Das kennt den Weg. 
Und es gibt immer einen anderen Weg.

Sich einzugestehen, dass man am Ende seiner Kräfte ist,
ist kein Tiefpunkt, kein Fehler, keine Schwäche. 
Es ist ein Hochpunkt des Mutes und ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Und diesen ersten Schritt bin ich jetzt gegangen. 
   Wann gehst du ihn?